Väter und Mütter gehen zum Arzt, bekommen da und dort was zum Ausfüllen.
Väter und Mütter melden ihre Kinder zum Kindergarten, bekommen da und dort was zum Ausfüllen.
Väter und Mütter gehen ins Spital, bekommen da und dort was zum Ausfüllen.
Alle diese Dokumente haben mehrheitlich eines gemeinsam: Sie wurden am Computer geschrieben und dann (mehrmals) ausgedruckt.
Soweit, so normal. Und diskriminierend.
Warum? Denn es sind diese Vorgänge (meist) voller Barrieren.
Besonders tragisch ist, dass (behörden)nahe Institutionen dies tun, obschon einerseits die grundsätzliche Produktion dieser Materialien ohnedies am PC erfolgt und somit der Weg zur Barrierefreiheit nicht (mehr) weit wäre, andererseits Behörden seit 2008 die gesetzliche Erlaubnis zur Barrierefreiheit haben (s. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20003230).
Ein Beispiel aus der Praxis
Wir melden unseren älteren Sohn zu einem Kindergarten an. Die (Vor)Anmeldung erfolgt über eine Website. So weit, so fein.
Der Kindergarten ist jedoch zur Erhebung von standardisierten Daten auch verpflichtet. Dabei handelt es sich um keine von der Institution entwickelten Schriftstücke, sondern vom Land Steiermark, die der Kindergarten herunterladen muss. In guter alter Manier wurde seitens der FormularautorInnen darauf geachtet, auch im achten Jahr barrierefreiheitsvermeidend zu arbeiten.
Dennoch waren wir naiv, fragten beim Kindergarten um zugängliche Files. Jedoch ohne Erfolg. Vom Kindergarten wurde uns daraufhin angeboten, uns beim Ausfüllen behilflich zu sein.
Ein tolles Angebot mit dem Wissen, dass die dafür notwendige Zeit entweder bei den Kindern eingespart werden muss oder – noch tragischer – dies in der Freizeit der Mitarbeiterinnen erfolgt.
Stattdessen machten wir uns auf die Suche nach den Formularen in barrierefreier Form.
Angefangen beim zuständigen politischen Büro, lies die Art der Reaktion auf unsere Anfrage eher auf eine Erstbekanntschaft mit dem Gesetz schließen. Dennoch, man hörte sich das an und nur zwei Tage später waren die gewünschten Formulare da.
Die Moral der Geschichte: Es ist sehr tragisch, dass man im Jahr 2016 auf ein acht Jahre altes Gesetz hinweisen muss und nicht umgehend eine kompetente Antwort bekommt. Es sollte nach acht Jahren zumindest möglich sein, in Behörden einen Workflow zu entwickeln, der festlegt, was zu passieren hat, „wenn sowas“ einmal eintritt, dass jemand nur die Umsetzung eines Gesetzes einfordert.
Ein positives Beispiel
Für den Kindergarten war es von Beginn an kein Problem, uns Informationen, die ausgehängt werden, per Mail zu schicken UND zusätzlich Termine u. ä. per SMS zu schicken. Von letztgenannter Kommunikationsmethode waren wir begeistert, erlaubten dieser, sich auch zu äußern, bis uns vom Kindergarten erklärt wurde, dass die SMS-Kommunikation sowieso erfolgt, da die Leselust von Aushängen ohnedies ausbaufähig ist.
In der Fachwelt würde man von „Inklusion“ sprechen, bei einem österreichischen Supermarkt von „Hausverstand“ und wir sagen: Willkommen im Jahr 2016…;-)
PS: Nächster Eintrag am 27.11.2016 mit „E wie Einhändig“