Oft haben wir den Eindruck, dass Menschen (nur?) daran interessiert sind, wie WIR das mit unseren Kindern machen.

Aus unserer Sicht ist diese Frage jedoch unvollständig bis falsch. Denn DIE Frage muss, wenn es schon eine Frage sein muss, sein: WIE stellt ihr es an, dass EURE Kinder gleich aufwachsen, wie jene Kinder, die keine behinderten Eltern haben?

Zugegeben, eine etwas sperrige Frage, aber in diesem Fall würde die Kürze die Würze verlieren.

Dass diese Frage jedoch tatsächlich relevant ist, zeigt folgender Ausschnitt aus einem OGH-Urteil, in dem es um die Adoptionseignung blinder Eltern ging:

Dazu wird festgehalten, dass viele Kriterien sehr gut von Ihnen erfüllt werden. Für ein positives Prüfergebnis müssen die geforderten Kriterien jedoch in ihrer Gesamtheit so wie im Zusammenspiel erfüllt sein. Bedenken gibt es vor allem in folgenden Bereichen: Sicherheit, Pflege, Gesundheit, Erziehung, Förderung, Auseinandersetzung mit der Herkunft des Kindes und realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Grenzen. Insgesamt wurde festgestellt, dass Ihr Fokus in Ihrem Engagement und der Möglichkeit, Defizite zu kompensieren, liegt und ist weniger auf die Befindlichkeit eines Kindes, die mit Ihrer Beeinträchtigung als Werber im Zusammenhang steht, ausgerichtet. (https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20140717_OGH0002_0040OB00045_14T0000_000&ResultFunctionToken=e6645599-8f3d-48c2-b788-05d0d4191a5d&Position=1&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True&GZ=4Ob45%2f14t&VonDatum=&BisDatum=03.09.2014&Norm=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=)

Defizite zu kompensieren ist wichtig und richtig.
Defizite zu akzeptieren jedoch ebenfalls.

Dazu einige Praxisbeispiele, -fragen und –lösungen:

  • Ich, Jakob, habe für mich eine Methode gefunden, mit einer Hand Schuhbänder zu binden, d. h. ich habe eine Kompensation zur herkömmlichen Methode entwickelt.
    Falsch wäre aus meiner Sicht, diese, meine Methode, auch meinen Kindern zu lernen, sie haben schließlich zwei gesunde Hände. Meine Aufgabe, als Elternteil, ist es daher zu überlegen, wie ich es selbst mache oder organisiere, dass meine Kinder „normal“ lernen, Schuhe zu binden.
  • Ich, Jasmin, lese mit Braille.
    Falsch wäre, meinen Kindern Braille zu lernen, sodann sie überhaupt lesen lernen (können), schließlich sind sie ja nicht blind.
    Meine Aufgabe ist es jedoch, dafür Sorge zu tragen, dass meine Kinder gleich wie alle anderen lesen und schreiben lernen und dies gefördert wird. Weiters wird es meine Aufgabe sein, Möglichkeiten zu finden, wie ich gemeinsam mit meinen Kindern lese und schreibe.
  • Niemand von uns beiden fährt Auto.
    Falsch wäre, zu sagen, dass dies unsere Kinder auch nicht und nie brauchen. Wie alle anderen Eltern werden wir sie auch – zugegeben, dafür ist noch Zeit;-) – darin unterstützen und/oder Wege suchen, diese Unterstützung zu organisieren.

Diese Liste würde sich unendlich fortsetzen lassen…

Dieses Hinterfragen betrifft aus unserer Sicht natürlich auch die anderen angesprochenen Bereiche wie Sicherheit, Pflege etc.

Abschließend möchten wir SICHERHEITshalber auf das Thema (Kinder)Sicherheit in unserem Kontext eingehen, da dies – und das zeigt nicht nur dieses Urteil – offensichtlich DIE Sorge ist. Wir haben uns zu diesem Thema beispielsweise sehr subjektive Gedanken gemacht wie etwa:Wie sind wir sicher auf der Straße unterwegs, wenn das Kind dann geht?
Zusätzlich haben wir uns die sogenannte Bärenburg am LKH Graz (s. http://grosse-schuetzen-kleine.at/baerenburg/) angesehen, wo es genau und ausschließlich um dieses Thema geht.
Mit einem Wort: Wir haben uns – so glauben wir – sehr gut informiert und uns Gedanken gemacht – vor und während des ersten Kindes. Rückblickend war’s eine gute Info, am Besten ist jedoch noch immer: Einerseits vorsichtig zu sein, andererseits nicht zu übervorsichtig zu sein, jedoch wach und aufmerksam zu bleiben, um auf eventuelle Sicherheitsaspekte reagieren zu können.

Leider passiert mit Kindern ohnehin zu viel – dafür braucht’s nicht einmal behinderte Eltern!

PS: Um die anderen Bereiche drücken wir uns natürlich nicht;-):

  • Pflege und Gesundheit behanndelt folgender Blog-Beitrag:  https://familieallinclusive.wordpress.com/2016/12/04/g-wie-geburtsvorbereitung/
  • Erziehung und Förderung: Mental haben wir vermutlich zumindest dieselben Voraussetzungen wie der Großteil. Wenn es zur Umsetzung behinderungsbedingter Unterstützung bedarf, werden wir das artikulieren und gehen von dementsprechenden, gleichberechtigten Zugängen von Entscheidungsträgern aus…

Am 10.9.2017 gibt es „Vorsicht bei der Aufsicht“